mit: Elisabeth Falkinger (AT), Hannah Stippl (AT)
Vernissage: 12. Februar 2021, 14:00 – 20:00 Uhr
Ausstellung: Februar – 28. Februar 2021
Zur Ausstellung: Eröffnungsrede von Lucas Gehrmann
Künstlerin zur Beobachterin und Spurenleserin. Erde, Sand, Stein, Humus, Pflanzen, Schlamm, alles Schichten, auf denen Abdrücke des flüchtigen Daseins zurückbleiben, flüchtig wie die zeichnerischen Gesten des Skizzierens auf Papier. Getunkt und eingetaucht, nehmen die Zeichnungen Sedimente auf, werden selbst Teil der Schichtungen. Aus der Serie Shoppen, „Resonanz“, 2020 Hannah Stippl´s Arbeit „Wie von der Erde sprechen“ ist im Frühling 2020 in Spanien entstanden. Im Zentrum steht die Beschäftigung mit Bruno Latours Analyse der Klimakrise in seinem Buch „Facing Gaia“. Fragen, die sie während des Corona-Lockdowns wochenlang umkreist, bilden die Grundlage ihrer Arbeit. Was tun? Die Malerei wird zum Tagebuch einer eskalierenden Situation, einer Welt zwischen Schock und Panik. Der Titel der gemeinsam erarbeiteten Installation „Entangled“ bezieht sich auf Charles Darwins berühmte Beschreibung einer Uferböschung: “It is interesting to contemplate an entangled bank, clothed with many plants of many kinds, with birds singing on the bushes, with various insects flitting about, and with worms crawling through the damp earth, and to reflect that these elaborately constructed forms, so different from each other, and dependent on each other in so complex a manner, have all been produced by laws acting around us.” — Charles Darwin: The Origin of Species. 1859 „Entangled“ wird in der deutschen Version von Darwins Text mit „dicht bewachsen“ übersetzt, doch die Bedeutung des Wortes ist umfangreicher: „Entangled“ kann man mit verwickelt, verwoben oder verschränkt übersetzen; „to entangle“ heißt umschlingen, verwirren, verfangen, sich verheddern, verstricken. Es beschreibt immer eine Form der engen, aber nicht leicht durchschaubaren und ambivalenten Verbundenheit. Darwin betrachtet das Uferdickicht mit einer Mischung aus Bewunderung, Scheu und Distanz. Als naiv-moderner Beobachter glaubt er sich in keiner Weise der Natur verbunden, über die er aber frei verfügen kann. Die zeitgenössischen Krisen zeigen das wahre Ausmaß dieses Irrtums. Mensch und Natur sind verbunden, six degrees of separation. Das betrifft die Beziehung zu einem Markt in Wuhan ebenso wie zu den Bäumen des Amazonas, den Enten der Moldau oder der Eisschmelze in Grönland. Der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien kann einen Tornado in Texas auslösen, ein in Texas achtlos weggeworfener Kaffeebecher kann diesen Schmetterling tödlich treffen. „Entangled“ heißt: Wir leben inmitten eines komplizierten Netzwerkes aus zahllosen Dingen und Lebewesen, verstrickt in die globalen Auswirkungen des Kapitalozäns, als dessen Abgesandter Darwin einst die Erde bereist hat. Diese ununterscheidbare Vermischung von Natur und Kultur zu hybriden Objekten steht im Zentrum der Arbeiten von Elisabeth Falkinger und Hannah Stippl. Die gemeinsame Installation verschränkt die beiden Arbeiten zu einem undurchdringlich verwobenen Ganzen, abseits der weißen Wände. Bilder und Zeichnungen überlagern einander, sind nicht mehr als einzelne Objekte sondern nur als vielstimmiges Ganzes lesbar. „Entangled“ heißt hier verbunden, umschlungen und, nicht zuletzt, dicht bewachsen. Elisabeth Falkinger (A) Elisabeth Falkinger (geb. 1988 in Rohrbach, Oberösterreich) ist Zeichnerin und Performerin, Musikerin, Reisende und Gärtnerin. In ihrer vielfältigen künstlerischen Arbeit analysiert sie Motive und Inszenierungen von Landschaft. Ihr besonderes Interesse gilt dabei dem komplizierten Verhältnis von Mensch und Ding. Nach einem zweijährigen Aufenthalt in den USA studierte sie Landschaftsdesign/kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien bei Mario Terzic und Paul Petritsch. Seit 2014 ist ein roter Traktor aus dem ukrainischen Theresiental ihr künstlerisches Alter Ego. Sie lebt und arbeitet in Wien. www.elisabethfalkinger.com Hannah Stippl (A) Hannah Stippl (geb. 1968 in Wien) studierte Malerei und Graphik an der Universität für angewandte Kunst Wien, wo sie 2011 auf dem Gebiet der Landschaftstheorie promovierte. Ihre Dissertation bietet den ersten umfassenden Überblick über die landschaftstheoretischen Aquarelle von Lucius Burckhardt. Von 2005 bis 2017 unterrichtete sie an der Universität für angewandte Kunst in der Klasse für Landschaftsdesign/kunst. Ihre theoretische Beschäftigung mit kulturhistorischen und ökologischen Aspekten von Pflanzen, Gärten und Landschaften beeinflusst ihre künstlerische Arbeit grundlegend. Hannah Stippl kuratierte zahlreiche Ausstellungen und leitet den Ausstellungsraum puuul in Wien. Sie lebt und arbeitet abwechselnd in Wien, ihrem Gartenatelier in Elsbach, Niederösterreich und Aguilas, Spanien.
www.hannahstippl.net